Hier finden Sie einige unserer aktuellen Lieblingstitel, die wir Ihnen gerne empfehlen möchten:
Der große Baumhauswettbewerb
Camille Caroche. Übersetzung aus dem Französischen von Alexandra Romary
Bohem Verlag , ab 3 Jahren, 22,00 €
„In welchem Baumhaus würdest du am liebsten wohnen?“
Der Kranich steht als Botschafter des Baumhauswettbewerbes vor einer großen Reise rund um die Welt, für die er sich zuerst seinen robusten Rucksack packt. Gut vorbereitet besucht er verschiedene Baumarten, in denen Kinder jeweils mit großer Mühe einzigartige und gigantische Baumhäuser errichtet haben. In jedem kannst du kuriose Entdeckungen machen. Findest du die Krokodilschaukel oder die Baumeisenbahn und wie funktioniert das fahrradbetriebene Lieferband? „Der große Baumhauswettbewerb“ greift den paradiesischen Traum vieler Kinder in liebevoller, detailreicher Mischung aus Wimmelbuch, Sachbuch und erzählendem Bilderbuch auf. In einer spannenden Verbindung von Fakt und Fiktion lernen die Leser*innen vom majestätischen Kampferbaum in Japan über die mexikanische Sumpfzypresse oder die Zeder im Libanon bis hin zum Baobab insgesamt sieben einzigartige Baumarten kennen, wodurch die Neugier für Botanik, aber auch Technik und Handwerk geweckt wird. Jedem Baumhaus werden zwei Doppelseiten gewidmet. Auf der ersten Doppelseite werden auf Sachebene die außergewöhnlichen Bäume samt der Samen, Blüten, Beeren oder Kerne vorgestellt. Leser*innen erfahren über ihr Vorkommen, aber auch interessante Fakten oder Mythen. Ihre Pracht kann man anhand der wundervoll künstlerischen Illustrationen bewundern. Wiederkehrendes Motiv bleibt der Kranich, der sich immer mit neuem Transportmittel an die vorherrschenden Bedingungen anpasst. Somit steuert er beispielsweise das Baumhaus der Zeder im Libanon auf Schneeschuhen an. In den Baumhäusern, deren intelligentes, technisches und kreatives Ausmaß sich auf der zweiten Doppelseite zeigt, kann man mit wachsamem Auge etliche klischeefreie Einblicke in Kultur und Natur der jeweiligen Regionen erhalten. Es werden ausschließlich Kinder und ihre vielfältigen Aktivitäten gezeigt, die sie als autonom, frei und selbstbestimmt präsentieren. Eine große Besonderheit zeigt sich auf der letzten Doppelseite. Als Jury-Mitglieder werden die Rezipient*innen nun in die Geschichte verantwortungsvoll mit eingebunden. Sie bekommen die Möglichkeit, ihre eigene Wahl des tollsten Baumhauses an den Bohem Verlag einzusenden.Rezension: Sofia Miorandi
Pizzakatze
Will Gmehling, Antje Damm
Peter Hammer Verlag, ab 3 Jahren, 15,00 €
Pizzakatze Pia flitzt auf ihrer gelben Vespa von
einem Ort zum nächsten und liefert die besten
und wildesten Pizzen aus. Dabei macht sie
auch mal im Kindergarten halt oder bei der
Oma, denn Pizza mögen schließlich alle gerne!
Mit flotten Reimen von Will Gmehling und
tollen Illustrationen von Antje Damm ist
„Pizzakatze“ ein Bilderbuch, das allen Spaß
macht!
Rezension: Marike de Wall
Am Leuchtturm gibt es Erdbeereis
Constanze Spengler, Katja Gehrmann
Moritz Verlag, ab 4 Jahren, 15,00 €
Nachdem "Seepferdchen sind ausverkauft" von Katja Gehrmann und Constanze Spengler eines unserer absoluten Lieblingsbücher und gleichzeitig ein Eselsohr-Bestseller war, konnten wir es kaum erwarten, das neue Bilderbuch der beiden zu lesen. "Am Leuchtturm gibt es Erdbeereis" ist ein neues Abenteuer von Mika, in dem, zu unserer großen Freunde, auch ein Esel eine Hauptrolle spielt. Mika macht mit Papa Ferien auf einer Insel am Meer. Sie haben großen Spaß zusammen, nur irgendwann möchte Papa lieber in seinem dicken Buch lesen und Mika langweilt sich. Als der Eiswagen kommt, darf Mika Eis kaufen, doch als er vom Luftballonverkäufer abgelenkt wird, fährt der Eiswagen plötzlich davon. Eine wilde Verfolgungsjagd über die ganze Insel beginnt. Der Strandesel lässt Mika für ein Eis aufsitzen und rennt los, doch der Eiswagen ist einfach zu schnell. Die Postbotin nimmt beide in ihrem Lastenrad bis in das nächste Dorf mit. Zusammen mit der Gemüsefrau geht's mit dem Bus weiter zum Strand, der jedoch der falsche Strand ist. Mit dem Taxi, dem Wasserskiboot, dem Wasserflugzeug und schließlich dem Helikopter kommen sie nach einem rasanten Fallschirmsprung endlich am richtigen Strand an und dort steht auch der Eiswagen. Als Leser fiebert man mit Mika mit, der immer knapp zu spät kommt und den Eiswagen über die ganze Insel verfolgt. Alle anderen sieht man auf den Bildern immer schon Eis essen, nur Mika und der Esel gehen leer aus. Da ist die Freude umso größer, als sie es am Ende geschafft haben. Die farbenfrohen und humorvollen Illustrationen sind perfekt auf den Text abgestimmt. Viele herrlich komische Situationen sind aus kindlicher Perspektive vollkommen nachvollziehbar, widersprechen aber jeder Erwachsenenlogik. Das Buch ist ein großes Vorlesevergnügen nicht nur für Kinder. Am 13. Juni liest die Autorin um 16 Uhr im Pfarrsaal am Kurfürstenplatz aus ihrem Buch.
Rezension: Grischa Götz
Das kleine Wildschwein und die Krähen
Franz Hohler, Kathrin Schärer
Hanser Verlag, ab 4 Jahren, 16,00 €
Statt sich wie die anderen fünf Frischlinge um das Erlernen der Nahrungssuche am Boden zu bemühen, schaut das kleine Wildschwein lieber in den Himmel. Seine volle Aufmerksamkeit haben die Vögel über ihm und so steigt es bald grunzend als Bass in das Vogelorchester ein. Als gütiger Freund teilt das kleine Wildschwein sogar die Maiskolben, die ihm seine Mutter vor die Schnauze legt, mit den Krähen. Doch dann wird es krank. Weder die wohltuenden Gesänge seiner Vogelfreunde noch Kastanien aus Tessin, die der Wildschweindoktor verordnet hatte, bringen die ersehnte Heilung. Jetzt gibt es nur eine zuverlässige Medizin - Kastanien aus Paris! Die Verzweiflung ist groß, denn den Wildschweineltern scheint es unmöglich, diesen fernen Ort zu erreichen. Die Krähen jedoch wissen genau, was zu tun ist…
Gemeinsam präsentiert das Erfolgs-Duo Franz Hohler und Kathrin Schärer sowohl bild- als auch textsprachlich eine liebevolle Geschichte über Fürsorge und Freundschaft. Fans von Kathrin Schärer dürfen sich erneut auf ihr einzigartiges Talent freuen, die Mimik und Gestik von Figuren wie keine andere einfangen zu können. In den ausdrucksstarken Gesichtszügen lässt sich jede Gefühlsregung erkennen, sodass die Figuren sofort Einzug ins Herz erhalten.Rezension: Sofia Miorandi
Der Ort der lieben Dinge
Lorenz Pauli, Kathrin Schärer Atlantis Verlag, ab 4 Jahren, 18,00 €
Dachs findet in seiner Höhle nichts mehr, sie ist einfach zu voll. Als er beginnt auszumisten, findet er viele Dinge wieder, an denen seine Erinnerungen hängen: eine alte Schaukel, ein Bild, einen Ast, ein Spiel ohne Anleitung und anderes mehr. Doch einfach wegwerfen will er die liebgewordenen Dinge nicht. Also beschließt er, sie an einem Ort zu begraben, an dem er sich immer an sie erinnern kann. Unterwegs trifft er auf den Hasen, der sich bei dem Ast an seine Großmutter erinnert, den Fuchs, der das Bild als Schutz vor dem Wind gebrauchen kann, den Bären, der sich eine neue Spielanleitung ausdenken will. So finden einige der liebgewordenen Dinge einen neuen Besitzer, der Dachs vergräbt den Rest an einem schönen Ort und der Bär bringt einen kleinen Vogelbaum mit, der auf dem Grab gepflanzt wird. Die Tiere haben jetzt einen besonderen Ort, an dem sie sich treffen und spielen und erinnern.
In diesem zu Herzen gehenden Bilderbuch erzählt uns Lorenz Pauli, wie man mit liebgewonnenen Erinnerungstücken umgehen kann. Die wunderschönen Tierbilder von Kathrin Schärer nehmen die Stimmung des Buches auf und verstärken sie.
Rezension: Elke Zenner
Fanni, Fuchs und Feuerwehr
Miriam Zedelius
Beltz Verlag, ab 2 Jahren, 10,00 €
Fanni und Fuchs sind mit ihrem Feuerwehrauto unterwegs und machen all das, was echte Feuerwehrleute auch machen. Sie löschen einen Hausbrand "ZISCH! WUSCH! FLATSCH!" und retten fünf Enten. Sie holen mit Feuerwehrschlauch und Regenschirm einen Jungen vom Baum, sie ziehen das Schweinchen mit seinem dicken Laster aus dem Fluss, sie heben behutsam eine Schnecke von der Straße und sie fangen mutig und unerschrocken einen wilden Löwen wieder ein und bringen ihn nach Hause.
Die farbenfrohen Illustrationen spiegeln eine kindliche Lebensrealität wider und bereiten kleinen und großen Lesern Freude beim Betrachten. Großen Spaß machen Kindern sicherlich auch die zahlreichen lautmalerischen Aussprüche und die immer wiederkehrenden Refrains wie "Tatütata, wir sind schon da!" Besonders gefallen hat mir die starke Mädchenfigur als Protagonistin und die Diversität bei der Darstellung der Figuren.
Rezension: Grischa Götz
Dieser Sommer mit Jente
Enne Koens, Illustration Maartje Kuiper. Aus dem Niederlänischen von Andrea Kluitmann
Gerstenberg Verlag, ab 10 Jahren, 15,00 €
Die zehnjährige Marie muss mit ihren Eltern in eine Neubausiedlung ziehen, die rund hundert Kilometer entfernt von ihrem alten Zuhause liegt, in dem sie ihre beste Freundin Zoe zurücklassen musste. Trotzdem versprechen sich die zwei, für immer beste Freundinnen zu bleiben. Maries Frust ist groß. Doch bereits am Umzugstag macht sie ihre erste Begegnung mit Jente. Zwischen Jente und Marie entwickelt sich schnell eine Freundschaft, die sie in ihrem Geheimversteck, der Kuhle, besiegeln. Jente ist ungewöhnlich und spannend. Sie schämt sich nie, spricht auch Erwachsenen gegenüber in witzigem und frechem Tonfall und ist immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Dabei steuert sie gezielt das Verbotene und Gefährliche an. Die Neubausiedlung mit ihren Rohbauten und das angrenzende Marschland geben dafür die perfekten Abenteuerlandschaft ab. So spielen sie dem Nachbarn einen Liebesbriefstreich, gehen auf nächtliche Streifzüge oder betreten das gefährliche Sumpfgebiet. Mitgerissen von den immer waghalsigeren Ideen Jentes, stellt Marie ihre eigenen Bedürfnisse wiederholt hintenan, um nicht als Angsthase zu gelten. Doch dadurch gerät sie zunehmend in einen inneren Konflikt. Obendrein hat Marie sowohl Zoe als auch Jente gegenüber das Gefühl, die beiden voreinander verheimlichen zu müssen.
Wie wird Marie mit diesen Freundschaften im Ungleichgewicht umgehen und wird sie zu sich selbst finden? Verpackt in einer fesselnden Abenteuergeschichte findet man in diesem Roman keine durchweg seichte Sommerlektüre. Rezipient*innen werden durch Jente mit einem ziemlich herausfordenden Charakter konfrontiert, der Rätsel aufwirft und an vielen Stellen für Empörung sorgt. Während man beobachten kann, wie Marie und Zoe es schaffen, ihre Freundschaft auf eine gesunde Art weiterzuentwickeln, formt sich die Freundschaft mit Jente zu einer toxischen Beziehung. Enne Koens schafft es, Jentes ambivalentes, manipulatives Verhalten aufzudecken und zu verhandeln. Gleichzeitig legt sie Maries ambivalente Gefühlswelt nachvollziehbar dar. Präventiv nimmt sie sich damit einer bedeutenden Erfahrung gegenwärtigen Diskurses an. Sie tabuisiert nicht, sondern sensibilisiert Kinder genau im richtigen Alter dafür, sich kritisch mit sich selbst und den eigenen Freundschaften auseinanderzusetzen. Die Leser*innen begleiten Marie durch eine Entwicklung, in der sie mit vielen wichtigen Fragen konfrontiert wird. Dürfen Freunde Geheimnisse voreinander haben? Wenn man verliebt ist, macht man Schluss. Aber was macht man, wenn man keine Freunde mehr sein will? Diese verhandelt sie meist im inneren Monolog. Doch alleine gelassen wird sie damit nicht, sondern bekommt ihren Vater als Bezugsperson an die Seite gestellt, dem sie sich anvertraut und der es schafft, ihre Gefühle auf Augenhöhe einzuordnen, die richtigen Denkanstöße zu geben und ihr zeitgleich Raum zu lassen, sich selbstbestimmt zu entwickeln. Der Roman “Dieser Sommer mit Jente” beschreibt eine bedeutsame und spannende Reise zur Stärke und dem Selbstbewusstsein, nein sagen zu können. Er ist lehrreich, ohne sich dabei belehrend zu präsentieren. Gegliedert in drei Teile, wird die Geschichte von poetischen, aussagekräftigen Gedichten gerahmt, die dazu mit schönen Bildern von Maartje Kuiper in sanftem Hellgelb illustriert sind. Rezension: Sofia MiorandiLOKI - Wie man als schlechter Gott ein guter Mensch wird (oder auch nicht)
Louie Stowell. Illustrationen: Ulf K., Übersetzung: Mumot, André
Hanser Verlag, ab 10 Jahren, 16,00 €
„Ich heiße Loki, und ich bin ein Gott.“ So beginnt das Tagebuch des elfjährigen Loki, der vom Götterchef Odin aus Asgard verstoßen wurde. Als Strafe für sein unmögliches Verhalten muss er einen Monat auf der Erde zeigen, dass er sich gebessert hat. Das Tagebuch ist aber so konstruiert, dass es den all seiner Kräfte beraubten Gott korrigiert und seine Taten bewertet. Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass sich Loki anschickt, seinem Namen alle Ehre zu machen. Ob er am Ende des Monats wieder als Gott nach Asgard zurückkehren darf, das ist spannend beschrieben. Für Leserinnen und Leser ab 10 Jahren ist dies ein köstliches und witziges Buch. Die komikartigen Zeichnungen von Ulf K. unterstreichen das Lesevergnügen.
Rezension: Elke Zenner
Märkte in aller Welt
Maria Bakhareva, Anna Desnitskaya. Übersetzung: Thomas Weiler
Gerstenberg Verlag, ab 10 Jahren, 26,00 €
Wart
ihr schon mal auf einem Markt ? Märkte gibt es in jeder Stadt überall
auf der Welt.
Ein paar
der größten und ältesten werden humorvoll in diesem Sachbuch von Maria
Bakhareva
und Anna Desnitskaya vorgestellt.
Auf 14
Märkte aus 12 verschieden Ländern aus der ganzen Welt und deren Kultur, wird
genauer
eingegangen. Strukturiert ist es nach Monaten.
Dabei
werden nicht nur die allgemeinen Schlüsseldaten aufgelistet, sondern es werden
die
einfachsten
Floskeln in der jeweiligen Sprache, die beliebteste Ware oder eine
beispielhafte
Einordnung der Währung thematisiert.
In
diesem Buch wird alles erklärt, was ihr über einen Besuch auf dem Markt wissen
solltet.
Es
liefert tolle Rezepte für Zuhause und Insider Informationen über alles rund um
den
Markt.
Sowohl
für Kinder als auch für Erwachsene ist das Sachbuch eine ideale Vorbereitung
für
einen
Besuch auf dem Markt. Und wer die Zeichnungen genauer
betrachtet kann noch viel mehr entdecken. Das Sachbuch ist
gleichzeitig ein Wimmelbuch. Mit extra Tipps zu jeder Seite können auf den
Märkten
viele Sachen entdeckt werden.
Damit
ist dieses Sachbuch eine ideale Lektüre zum gemeinsamen Anschauen, Entdecken
und
Ausprobieren für alle Kinder im Kindergarten, der Grundschule und darüber
hinaus.
Rezension: Marie Günther
Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
Isaac Blum. Aus dem Amerikanischen von Gundula Schiffer
Beltz Verlag, ab 13 Jahren, 15,00 €
Hoodie Rosen, der eigentlich Jehuda heißt, stammt aus einer jüdisch-orthodoxen Familie, die ihren Glauben streng praktiziert. Mit 15 Jahren hat Hoodie aber auch anderes im Sinn als den für ihn immer langweiligeren Talmud- und Halacha-Unterricht (jüdisches Recht und Lebenswandel) und die strengen Gebräuche. Und auch jeden Tag Unterricht in der Jeschiwa zu haben (jüdische Schule für männliche Schüler) unterscheidet ihn von anderen Nicht-Jüd*innen seines Alters. Dies erkennt er vor allem, als er Anna-Marie kennenlernt, die selbst keine Jüdin ist und mit der unser Protagonist allein deshalb keinen Kontakt haben dürfte. Doch Hoodie wäre eben nicht Hoodie, wenn er nicht mit einer gesunden Portion Zweifel und Humor an alles herangehen würde und auf eigene Faust versuchen würde, seinen Platz im Leben zu finden, ungeachtet dessen, was seine Rabbis oder seine Familie davon halten. So erzählt der Autor Isaac Blum auf eindringliche Weise, welchen moralischen Fragen Hoodie im Spannungsfeld von Tradition und Familie sowie Identitätsfindung ausgesetzt ist und flicht aktuelle Themen und Konflikte in seinen Jugendroman ein. Dass ausgerechnet Anna-Maries Mutter, Bürgermeisterin der Stadt Tregaron, Antisemitin ist, vereinfacht Hoodies Gefühlslage nicht. Er und seine jüdische Gemeinde sehen sich mit Unwissen gegenüber dem Judentum und einer offen antisemitischen Haltung konfrontiert: Hakenkreuze auf jüdischen Gräbern sind nur der Anfang und der Antisemitismus entlädt sich in einem Anschlag auf Jüd*innen, der Hoodies Leben und Ansichten ins Wanken bringt. Blum erzählt von Lebensrealitäten, die selten in der Jugendliteratur abgebildet werden und bringt uns diese näher, indem er von anderen Bräuchen und Lebensgewohnheiten erzählt, wie selbstverständlich jiddische und hebräische Wörter einstreut. Nicht nur ist dieser Jugendroman äußerst spannend, er ist auch unheimlich lehrreich und kommt ohne erhobenen Zeigefinger aus!
Rezension: Seda Caliskanoglu
Falls ich dich überlebe
Jonathan Escoffery
Piper Verlag, 22,00 €
» Am Anfang steht die Frage Was bist du? [...] « Trelawny ist der jüngste Sohn einer jamaikanischen Familie, die vor der Gewalt in Kingston flieht und in die USA, nach Miami migriert. Zu Beginn ist Trelawny, der als einziger der Familie in den USA geboren ist, ein leidenschaftlicher Ami, seine Eltern nennen ihn abfällig einen Yankee, der seine Wurzeln negiert, sich für Burger und Co. mehr zu begeistern weiß als für die Gerichte der jamaikanischen Küche. Wenn seine Eltern Patwah reden, schämt er sich. Doch in den Augen der Weißen ist und bleibt Trelawny ein Schwarzer, trotz seiner helleren Haut. Die Schwarze Community hingegen sieht in ihm keinen von ihnen. »Die Frage der Hautfarbe ist in deine Welt eingebrochen, abrupt und gewaltsam, und du befürchtest am meisten, andere könnten etwas in dir sehen, das dir selbst nicht bewusst ist.« Ausgelöst durch Zuschreibungen, Mikro-Aggressionen und aufgrund des unverhohlenen tagtäglichen Rassismus und otherings beginnt für ihn eine Identitätskrise und -suche, die ihn sein ganzes Leben begleiten und an der er sich abarbeiten wird. Was das mit einem jungen Menschen anstellt, beschreibt Jonathan Escoffery mit einer außergewöhnlich sprachlichen Wucht. Escoffery wählt in vielen Kapiteln die zweite Person Singular, spricht damit auch uns Leser*innen an, wir werden zu Trelawny, sollen zu ihm werden, bekommen den Hauch einer Ahnung von diesem zermürbenden Leben, der ständigen Reibung. Obwohl er sein Studium mit Bestnoten beendet, findet Trelawny keinen festen Job, haust in seinem Auto und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, während Hurrikans über Miami hinwegfegen. Das Verhältnis zu seiner Familie ist mehr als nur angespannt. Der Vater bevorzugt den erstgeborenen Bruder und schafft damit eine Geschwisterrivalität, die ein familiäres Miteinander erschwert, folglich kämpft jeder um sein eigenes Überleben. Escofferys erzählerische Raffinesse, der dezidiert liebevolle Blick auf seine Figuren und die Komposition des Romans schaffen eine nuancierte Erzählwelt, offenbaren aber auch den strukturellen Rassismus in seiner absurdesten Form. Scheinbar mühelos platziert der Autor humorvolle Szenen, die eine wunderbare Leichtigkeit reinbringen. Ein elektrisierender Roman, der wichtig ist und gleichzeitig unterhält. Für mich jetzt schon ein Jahreshighlight, dem ich sehr viele weitere begeisterte Leser*innen wünsche! Hervorragend von Henning Ahrens übersetzt, der sich bewusst dazu entschieden hat, die Kapitel, die in Patwah gehalten sind, nicht im deutschen Dialekt wiederzugeben.
Rezension: Seda Caliskanoglu
Die Bäume
Percival Everett. Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingel
Hanser Verlag, 26,00 €
In dieser bitterbös herrlichen Satire wird die Lynchjustiz im Süden der USA, in Mississippi Money um genau zu sein, umgekehrt. Weiße sind plötzlich Opfer brutaler Mordfälle, was diese Fälle aber so markant aussehen lässt, ist die in der Nähe platzierte Schwarze Leiche, die auf wundersame Weise vom Tatort verschwindet und Züge von Emmett Till aufweist – ein junger Schwarzer, der aufgrund falscher Anschuldigungen einer weißen Frau 1955 zu Tode gelyncht wurde und somit den Grundstein legt für die Idee dieses Romans. Die Nachkommen der damaligen Täter Tills sollen ihre gerechte Strafe bekommen. Und so siedelt Everett diesen Roman im Milieu des white trash und Kukluksklan und einem absolut unfähigen und gestrigen Polizeiapparat an, in dem zwei Schwarze und äußerst coole Detektive namens Jim und Ed vom MIB (Mississippi Bureau of Investigation) ermitteln sollen. Schnell stoßen sie dabei auf Mama Z, die sämtliche Lynchfälle in den USA im eigenen Archiv dokumentiert hat. Es entspinnt sich ein grotesker, aber treffender Genre-Mix, bei dem die Ausarbeitungen der vor allem weißen Figuren überzeichnet wirken mögen, man jedoch aus diversen Dokumentationen über Trumpisten und Rednecks weiß: genau so geht es dort zu. Und so passiert, was durchaus die Intention des Romans sein dürfte: den Lesenden bleibt so manch herzhafter Lacher im Halse stecken, denn der Rassismus in den USA ist nach wie vor keine Randerscheinung. Everett erzeugt durch seine kurz gehaltenen Kapitel und den hohen Anteil an grandiosen Dialogen eine große Unmittelbarkeit und einen Sog, die szenisch anmuten und so berechtigterweise die Frage aufwerfen, wann dieser Roman verfilmt wird. Clever, bissig und ein absolutes Highlight! Shortlist Booker Preis 2022
Rezension: Seda Caliskanoglu
Wir hätten uns alles gesagt
Judith Hermann
S. Frischer Verlag, 23,00 €
Es gibt Bücher, die hinterlassen eine große Lust nochmals oder neu die Erzählungen und den Text von Judith Hermann zu lesen. Mit ihren klaren Sätzen, die das Vage oder Unklare in den Beziehungen ihrer Protagonisten beschreiben, lässt sie ihnen - auch sich selbst - Platz für Phantasien und Geheimnisse und spiegelt mit ihrer Sprache ein besonderes Lebensgefühl. Hervorgegangen aus der Frankfurter Poetikvorlesung: 'Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben', ist dies ihr persönlichstes Buch.
Rezension: Ulrike Boessneck-Voigt
Leonard und Paul
Rónán Hession. Aus dem irischen Englisch übersetzt von Andrea O‘Brien
Woywod & Meurer Verlag, 26,00 €
Leonard und Paul sind beste Freunde. Der eine schreibt als Ghostwriter Enzyklopädien für Kinder, der andere hilft hier und da als Postbote aus. Dazu die eine oder andere Runde Scrabble, ein wenig Zeit mit der Familie, und die Vögel im Garten wollen auch gefüttert werden – die beiden Männern scheinen nicht viel zu brauchen, um mit sich und der Welt zufrieden zu sein. Das Leben hat jedoch andere Pläne und zwingt die Freunde, sich aus ihrer Komfortzone hinauszubewegen. Auf ihre ganz eigene Weise stellen sich Leonard und Paul den Herausforderungen des Lebens.
Rónán Hessions Roman ist eine wohltuende, humorvolle Lektüre, die den Charme des Alltäglichen in den Mittelpunkt stellt und der Frage nachgeht, was im Leben wirklich von Bedeutung ist. Der Verlag Woywod & Meurer wurde extra für die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe gegründet – wir dürfen gespannt sein, was da noch kommt.Rezension: Malu Schrader